Autoren G-K / G / Hartmut Gieselmann
Gieselmann, Hartmut: Der virtuelle Krieg. Zwischen Schein und Wirklichkeit im Computerspiel
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Reihe Kultur und Gesellschaft Band 5.
Läßt sich heute noch in den in Millionenauflagen verkauften Computerkriegsspielen die realistische Kriegssimulation von fiktiven Spielen unterschieden? Gieselmann analysiert anhand der Beispiele „Command&Conquer", „Counter-Strike" und „Falcon 4.0" die verschiedenen inhaltlichen Aussagen dieser populären Computerspiele und überprüft ihre Wirkung in kritischer Auseinandersetzung mit der Spieltheorie des Psychoanalytikers D. W. Winnicott und der Simulationstheorie von Jean Baudrillard. Er zeigt, daß Militärsimulationen die Spieler nicht unbedingt aggressiver machen, sondern dem Spieler ein verharmlostes Bild vom realen Krieg imputieren. Militärsimulationen vertuschen die reale Gewalt des Krieges.
Fiktive Szenarios, die den Spieler in eine Phantasiewelt entführen, sind hingegen unbedenklich. Er kann in diesen Spielwelten alles gefahrlos ausleben, was im realen Leben so nicht möglich ist. Dabei ist ihm jedoch stets bewußt, wo die Spielwelt aufhört und die Realität beginnt. Simulationen hingegen versuchen diese Grenzen zu verwischen, und gerade das macht sie so gefährlich.
Die PR-Agenturen der Militärs arbeiten eng mit der Computerspielindustrie zusammen. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon in Washington am 11. September 2001 wurden plötzlich Spiele mit militärischem Inhalt aus den Kaufhausregalen entfernt und in Produktion befindliche Titel aufgeschoben. Nach einer kurzen Pietätspause der Hersteller rollt nun jedoch eine neue Welle von Computerkriegsspielen an, durch die militärisches Denken in die zivile Lebenswelt eindringen soll. Umso wichtiger ist es für die Zukunft, auf die Gefahren dieser Propaganda und ihre zerstörende Wirkung aufmerksam zu machen, ohne pauschal alle Spiele zu verteufeln, in denen gekämpft wird.
Hartmut Gieselmann. Jg. 1971, Diplomsozialwissenschaftler, ist Redakteur des unabhängigen Computermagazins "c't".
Rezensionen:
...Hartmut Gieselmann greift zunächst die wissenschaftliche Gewaltdiskussion auf. Er kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass aufgrund eklatanter Mängel der Forschungsmethoden bisher jede Studie, die eine Brutalisierung von Jugendlichen durch Computerspiele nachzuweisen versuchte, einen schlüssigen Beweis schuldig geblieben sei. Zudem bemängelt er, dass sich die Diskussion bisher fast ausschließlich mit formalen Kriterien von Gewaltdarstellungen befasst (Treten menschliche Gegner auf? Wird rotes Pixelblut gezeigt?), dabei den inhaltlichen Kontext jedoch weitgehend ignoriert. Ausgehend von der Paradoxie, dass Politiker die „gleichen Waffen, die [sie] im Kampf gegen den Terrorismus propagieren, [...] in den virtuellen Spielen verbieten" wollen (S.8), plädiert der Autor für eine Umkehr der Perspektive: „Die Frage, die wir heute den Medien stellen müssen ist nicht, ob sie Gewalt produzieren, sondern wie sie es schaffen, die reale Gewalt in der Wahrnehmung zum Verschwinden zu bringen." (S.155) Hierzu werden die erfolgreichsten Vertreter der drei Genres Echtzeitstrategiespiele, First-Per-son-Shooter und Militärsimulationen (Command & Conquer, Counter-Strike und Falcon 4.0) einer gründlichen Analyse unterzogen und ihre jeweiligen Spieler-communities in Hinsicht auf diese Fragestellung untersucht. Gieselmann stellt fest, dass in dem Maß, in dem eine realistische' Darstellung von Militärtechnik für die Spieler an Bedeutung gewinnt, die Bereitschaft steigt, ihre Erfahrungen aus der Spielewelt auf reale Kriege zu übertragen. Somit findet weniger eine ,Verrohung' im Sinne der Bundesprüfstelle statt als eine zunehmende Abstraktion von realer Gewalt, die tendenziell dazu führt, dass Kriege unter rein technischen Aspekten betrachtet und bewertet werden, wobei die Spieler politische Hintergründe ebenso ausblenden wie die Leiden der Opfer. Dass dieser Sachverhalt weder unbekannt noch unerwünscht ist, zeigt der Autor anhand der Verflechtungen zwischen Spieleherstellern, Militär und Rüstungsindustrie. Letztere findet in Computerspielen ein ideales Reklamemedium für neue und möglicherweise umstrittene Produkte, während die Produzenten ihrerseits mit dem höheren Realismusgehalt durch die Kooperation werben. Das Militär hat nicht nur immer wieder, wie von Gieselmann beschrieben, kommerzielle Spieletitel zu Ausbildungszwecken adaptiert, sondern setzt inzwischen auf ein selbstentwickeltes Spiel (zuerst kostenlos, jetzt für $5.95 auf www.americasarmy.com erhältlich), um Freiwillige zu werben und auf eine militärische Ausbildung vorzubereiten. Gieselmann warnt nicht vor einzelnen ,Killerspielen'; er sieht die realismusbetonten Simulationen als ein Element allgemeiner Kriegspropaganda, die insbesondere seit dem 11.9.2001 alle Medien erfaßt habe und die zivile Lebenswelt mit (US-amerikanischem) militärischem Denken durchdringe, flankiert durch die Kriegsfilm-Welle der letzten Jahre und einen Journalismus, der mit Bildern von angeblich sauberen chirurgischen Eingriffen „Gewalt und Waffen [...] als probate Mittel der Konfliktlösung" (S. 164) präsentiert. Karsten Lust (Frankfurt/M.) Aus: Medienwissenschaft 2/2003. S.268 f.
____________________________________________________ Süddeutsche Zeitung vom 24. Juni 2002
"Handwerk des Kriegs Wie eng Krieg und Computerspiel zusammen hängen, erklärt Hartmut Gieselmann in seinem Buch „Der virtuelle Krieg“. Hier hat sich ein Autor tatsächlich einmal gründlich mit den drei verdächtigen Genres auseinander gesetzt: Echtzeitstrategie, semirealistische First-Person-Shooter und Militärsimulation. Sie werden zunächst in drei Einzelkapiteln dargestellt und schließlich auf die je möglichen „intermondialen Transfers“, die Übertragung sogenannter „Schemata“ auf die Realwelt, hin befragt.
Im Falle der Militärsimulation, in der vermeintlich „echte“ Kriege in realistisch nachempfunden schweren Waffensystemen durchgespielt werden, können auf der „Fakt-Ebene“ Übertragungen statt finden, welche den Krieg insgesamt als sauberes und gerechtes Planspiel erscheinen lassen – damit gehen diese Spiele eine ästhetische und propagandistische Komplizenschaft ein mit den Methoden moderner Kriegsführung, die bisher vollkommen unterbelichtet blieb.
Die Verflechtungen der Spieleentwickler mit der Rüstungsindustrie sprechen für sich. Militärsimulationen, so glaubt Gieselmann, seien gefährlicher als die in der Öffentlichkeit ungleich präsenteren Ego-Shooter: „Die Frage ist nicht, ob die Medien Gewalt produzieren, sondern wie sie es schaffen, die reale Gewalt in der Wahrnehmung zum Verschwinden zu bringen.“
Nicht Erfurt also, sondern das Pentagon ist das Problem. Der Leser mag ihm hier nur teilweise folgen. Gieselmann verliert die Strukturen des Mediums aus den Augen. Sie erlauben ausschließlich die Erprobung von Schemata der Kontrolle und der Effektivität, das gilt gerade und ganz besonders für die Ego- Shooter. Wenn das Spielen am Computer tatsächlich, wie Friedrich Krotz in seinem Beitrag für Ästhetik und Kommunikation behauptet, „ein Fall sozialen Handelns“ darstellt, dann sollte die Gesellschaft sich sehr genau Rechenschaft darüber ablegen, was das für eine Kulturtechnik ist, die da erlernt wird. Diese neuen Publikation jedenfalls sind dafür schon mal eine gute Handreichung."
SEBASTIAN HANDKE
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N-TV: Mittwoch, 8. Mai 2002 Virtuelles Töten Kriegsspiele verbieten?
Seit dem Blutbad von Erfurt stehen Gewalt verherrlichende Computerspiele heftig in der Diskussion. Doch ein pauschales Verbot von Kriegsspielen ist für den Soziologen und Computerspezialisten Hartmut Gieselmann kein geeignetes Mittel, um Verbrechen zu verhindern.
"Militärsimulationen fördern nicht die Aggressivität der Spieler, zeichnen aber ein verharmlostes Bild von Krieg und Konflikt", sagte Gieselmann. Wirksamer als ein generelles Verbot sei, die Spiele vor der Freigabe genauer zu prüfen. Dabei ginge es nicht nur um die direkt gezeigte Gewalt. "Kritisch sind Spiele, in denen Töten als rein technischer Vorgang vermittelt und die Realität imitiert wird", erklärte der Soziologe.
Für gefährlich hält Gieselmann, dass in manchen Simulationen Spieler Abbilder echter Waffen in Szenarien wie Stadien oder Straßen ausprobieren und auf Menschen schießen können.
Der Experte hat einige der bekanntesten Spiele sowie ihre Wirkung auf die Spieler untersucht. Die Folgen hat Gieselmann in den Diskussionsforum im Internet festgestellt. "Hier leben die Spieler ihren Technik-Fanatismus aus, diskutieren über die Durchschlagskraft schwerer Waffen, aber nie über die Schäden, die solche Waffen anrichten können", erklärte der Soziologe.
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Das Freitagsbit: Gewaltsspiele
von Bruno Habegger
Die WWKolumne
Die Diskussion um Gewalt in Computergames zielt weit daneben. Wenn die teilweise bluttriefenden Games Schuld an realen Amokläufen und Massenmorden sein sollen, müssten Millionen von potentiellen Killern herumspazieren. Gewalt ist nämlich nicht nur auf das Medium Game beschränkt. Gewalt ist unser aller Alltag.
Der deutsche Soziologe und Computerspezialist Hartmut Gieselmann gibt die Richtung vor, wenn er gegenüber der Deutschen Presseagentur sagt, ein Verbot von Kriegsspielen sei kein geeignetes Mittel, um Verbrechen zu verhindern. «Kriegsspiele fördern nicht die Aggression, zeichnen aber ein verharmlosendes Bild von Krieg und Konflikt.» Wirksamer als ein generelles Verbot sei, die Spiele vor der Freigabe genauer auf ihre Inhalte zu überprüfen. Dabei gehe es nicht nur um die direkt gezeigte Gewalt. Kritisch seien Spiele, in denen Töten als rein technischer Vorgang vermittelt und die Realität imitiert werde.
Wie im Schützenverein. Das Schiessen wird hier mit dem verschönernden Zusatz «Sport» geschmückt, doch letztlich wird hier das Töten simuliert. Das ist besonders deutlich an den so genannten «B»-Zielscheiben zu sehen: Sie stellen den Umriss eines Menschen dar.
Nicht die simulierte Gewalt ist entscheidend für die Aggression, sondern die gewaltige Gleichgültigkeit, die in unserer Gesellschaft um sich greift. Man kann es auch Toleranz und Freiheit nennen. Aber: Wenn Kinder schon im Windelalter erfahren, dass Mama und Papa keine Zeit haben, weil Arbeit wichtiger ist, wenn Kinder in der Schulstube ungefragt mit Wissen abgefüllt und später in die Lehrstellensuche gestossen werden, dann muss man sich über gar nichts wundern. Das Kind als Projekt. Fehlt nur noch, dass Bill Gates den Child Manager 1.0 auf den Markt bringt.
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medien +erziehung (merz), 46.Jg. Nr. 4, August 2002: ...Für Gieselmann lautet daher die zentrale Frage nicht, "ob die Medien Gewalt produzieren, sondern wie sie es schaffen, die reale Gewalt in der Wahrnehmung zum Verschwinden zu bringen". Mit diesem Perspektivwechsel erteilt er der pauschalen und undifferenzierten Forderung nach Verboten eine klare Absage und eröffnet einen kritischen Blick auf eine Gesellschaft, die sich über drastische Erscheinungsformen von Gewalt in dem Maße ereifert, wie sie ihren politisch-ideologisch oder ökonomisch motivierten Erscheinungsformen gegenüber in Gleichgütigkeit erstarrt... Andreas Kirchhoff
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c't, magazin für computer techni Nr. 19, 9.9.2002
(...)Gieselmann..stellt die Frage, ob nicht insbesondere Kriegsspiele eine schleichende Militarisierung der Gesellschaft zur Folge haben (...) Das Buch bietet einen umfassenden Einblick in die Problematik kriegerischer Computerspiele, ohne sie von vornherein zu verteufeln und in Grund un Boden zu stampfen. Der stringente Aufbau macht das Buch sowohl für Pädagogen als auch für interssierte Laien zu einer sinnvollen Anschaffung. (Nico Nowarra) ------------------ www.jurawelt.com
Spätestens seit den traurigen Ereignissen in Erfurt ist der Name des Spiels auch der Erwachsenenwelt bekannt: Counter-Strike. Nach dem Amoklauf des Jugendlichen wurde bundesweit ein Verbot für das (angeblich) gewaltverherrlichende Computerspiel gefordert. Insbesondere konservative Politiker taten sich hier hervor. Dabei wird der bestehende oder fehlende Zusammenhang zwischen Gewalt in Computerspielen und in der Realität wohl niemals wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen werden können. Weil eben monokausale Begründungen und Ursachen in unser alltäglichen komplexen Realität nicht möglich sind. Die Fronten in dem seit Jahrhunderten währenden Streit sind hinlänglich bekannt. Die Befürworter von Gewaltdarstellungen in der Öffentlichkeit (im Mittelalter die Hinrichtungen, in der Neuzeit die Darstellung in Büchern, im Fernsehen, Kino und seit zwei Jahrzehnten auf dem Computer) vertreten die Katharsis-Theorie, d.h. den Darstellungen komme eine Ventil-Funktion zu, um die angestauten Aggressionen abzubauen. Ganz anders die Gegner: Nach deren Ansicht rufe die mediale Gewalt erst die spätere, tatsächlich verübte Gewalt hervor oder verstärke diese.
In diesem Spannungsfeld legt Hartmut Gieselmann, Redakteur bei der bekannten und renommierten Computerzeitschrift c´t, sein aktuelles Buch "Der virtuelle Krieg" vor. Einführend stellt er zunächst die Verbindungen zwischen Spiel und Wirklichkeit her. Zutreffend kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass dem Spiel an sich eine grundlegende sozialisierende Bedeutung zukommt. Dies gilt grundsätzlich auch für Computerspiele. Dabei wird kurz der Frage nachgegangen, ob durch die in der letzten Zeit zunehmende Militarisierung gerade der Computerspiele (man denke nur an die zahlreichen 2.Weltkrieg-Simulationen) eine schleichende Ideologisierung unserer Gesellschaft stattfindet. Dann stellt Gieselmann die Untersuchungsergebnisse dar, die bislang auf diesem Gebiet stattgefunden haben. Er kommt zu dem traurigen Ergebnis, dass fast keines der bisherigen Experimente harten wissenschaftlichen Kriterien standhält. Praktisch jede Untersuchung ist in die eine oder andere Untersuchung ideologisiert. Viele Untersuchungen, die der Autor einer kritischen Würdigung unterzieht, beantworten das Problem mit einer Schwarz-Weiß-Schablone. Dem Verfasser gelingt es hier auf etwas mehr als 30 Seiten einen kompakten Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu geben, ohne dass der Leser dazu sich durch zahlreiche Bände quälen muss.
Dann schließlich beginnt die dezidierte Auseinandersetzung mit der Gewalt in Computerspielen. Dazu stellt Gieselmann zunächst ausführlich die Entwicklungsgeschichte dieses Software-Genres dar. Er hat sich dazu beispielhaft den Bereich der First-Person-Shooter, der Militärsimulation und derversucht der Autor die Frage zu klären, welche Erfahrungen, Einschätzungen und Emotionen Menschen von Computerspielen auf die Realität transferieren. Er kommt dabei vor allem zu dem Ergebnis, dass insbesondere Spiele, in denen kriegerische Auseinandersetzungen eine tragende Rolle spielen, dem Spieler - bewusst oder unbewusst - eine verharmlosende Darstellung vom realen Krieg imputieren. Militärsimulationen - so der Autor -vertuschen de reale Gewalt des Krieges. Hieraus aber die Tatsache ableiten zu wollen, dass Gewaltspiele Menschen aggressiver machen, wäre falsch, so die Analyse. Vielmehr bedarf es einer weitaus differenzierteren Betrachtung. Gesamteindruck: Ein Band, der eine leider in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bislang wenig vorgenommene differenzierte Betrachtung von Gewalt und Computerspielen ermöglicht. Gerade der Bereich über die geschichtliche Entwicklung der modernen Software-Spiele bringt dem Leser zahlreiche Hintergrund-Informationen. (Dr. Martin Bahr)
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Nicht erst seit Erfurt kommen gewalthaltige Computerspiele ins Gerede. Seit es sie gibt, werden sie - ebenso wie gewalthaltige Filme - kritisiert: Ihr Konsum würde zu aggressiven Verhaltensweisen bei ihren - überwiegend männlichen - Nutzern führen. Die dieser Sichtweise zugrunde liegende Argumentation beruht auf der alltagstheoretisch gestützten Vorstellung, dass Medien einseitig und kausal wirken. Diese Diskussion greift Gieselmann in einer einleitenden Übersicht über den Stand der Wirkungsforschung bezogen auf Computerspiele auf. Er macht deutlich, dass die vorliegenden Studien mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie die traditionell auf Video und Fernsehen bezogenen empirischen Untersuchungen: Was ist Gewalt? Wann kann eine Szene als gewalthaltig definiert werden? Sind die Methoden angemessen? Ist nicht das aggressive Verhalten von Nutzern eine Voraussetzung für die Vorliebe für gewalthaltige Computerspiele? An Beispielen ausgewählter neuerer Studien diskutiert der Autor diese Fragen sehr kenntnisreich und macht auf die damit verbundene Problematik einer vorschnellen Verurteilung von Medien deutlich. Dies wäre allerdings bisher nichts Besonderes, würde nicht Gieselmann in seinem Buch auf zwei bisher in der Diskussion vernachlässigte Aspekte eingehen: + auf die Bedeutung des Spielens für die Menschen und + auf den militärischen Charakter der meisten gewalthaltigen Computerspiele.
Unter dem ersten Aspekt fragt er nach den Funktionen von Spielen und bezieht diese insbesondere auf das Spielen mit Kriegsspielzeug. Diese enge Verbindung wird von ihm in der Analyse von drei Genres von Computerspielen weitergeführt. Ausführlich seziert er Echtzeitstrategiespiele wie etwa Command & Conquer oder Alarmstufe Rot, First-Person-Shooter wie etwa Half-Life und das daraus entwickelte Counter-Strike sowie Militärsimulationen, wie sie in der Falcon-Reihe zu finden sind. Für alle drei Genres wird der Zusammenhang zwischen Computerspiel und Kriegsszenarien nicht nur durch Analyse der Spiele selbst, sondern auch mithilfe vieler Hintergrundmaterialien deutlich heraus gearbeitet, wobei-sich Letztere zum Teil auch auf die Zusammenarbeit des Militärs, der Waffen- und Rüstungsindustrie mit den Computerspielproduzenten beziehen. In dieser Koalition geht es - wie der Autor plausibel belegt - vor allem nach den Ereignissen des 11. September 2001 um Kriegspropaganda: Dem Feind von außen muss durch militärische Aufrüstung von innen begegnet werden. Wirken diese kriegsorientierten Computerspiele aber auch? Gieselmann greift die eingangs geführte Medienwirkungsdiskussion zum Abschluss wieder auf, führt sie jedoch auf einer anderen Ebene. Gegen eine flache Argumentation der einseitigen Wirkung von Medien auf der Verhaltensebene setzt der Autor auf eine differenzierte Sichtweise. Mithilfe der Arbeiten des Kölner Computerspieleforschers Jürgen Fritz zeigt er, dass die analysierten Spiele andere Dimensionen der Persönlichkeit bei den Nutzern ansprechen werden. So prüfen die Spieler vor allem die Realitätsnähe der Simulationen und diskutieren diese in den zu den Spielen gehörenden Foren. Diese enge Konzentration auf die technischen Aspekte der Spiele werden auch auf die Alltagsrealität übertragen, soziale und menschliche Folgen der Aktionen in den Spielen kaum thematisiert. Dies entspricht genau den Spielen selbst. „Die Militärsimulationen stellen den Krieg nur als technisch-mathematisch sauberes Planspiel dar", so der Autor. Die im Buch vorgetragene Sichtweise von Computerspielen unter dem Aspekt der Kriegspropaganda bringt eine neue Ebene in die Diskussion um gewalthaltige Spiele, insbesondere in der Betonung der engen Verbindung von Rüstungsindustrie und einem Teil der Produzenten von Computerspielen. Dadurch wird auch die ambivalente Haltung der Politik deutlich: Zum einen sollen solche Spiele wie Counter-Strike verboten werden, da sie als jugendgefährdend und gewaltverherrlichend eingeschätzt werden; zum anderen benutzt das Militär zur Anwerbung und zur Ausbildung selbst solche oder ähnliche Spiele, um militärisches Denken oder damit verbundene Eigenschaften trainieren zu können. Natürlich lässt sich zu Recht fragen, ob solche Computerspiele einer Zivilgesellschaft, wie wir die unsere bezeichnen würden, angemessen sind. So lange wir aber auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene die gleichen Muster bei der Lösung politischer Konflikte verwenden wie in Computerspielen, scheinen Kritik und Verbote Letzterer wenig glaubwürdig. Das Verdienst, auf diese Aspekte aufmerksam gemacht zu haben, gebührt dem Autor mit seinem Buch. Stefan Aufenanger in"Computer und Unterricht." 12. Jahrgang, Heft 48. 4.Quartal 2002. S.61.